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Rom verschärft wieder sein Sparprogramm

Italiens Regierung reagiert auf den internationalen Druck - und präsentiert weitere Sparpläne: Die Sondersteuer für Reiche soll in abgeschwächter Form doch eingeführt werden, die Mehrwertsteuer steigen. Das Volk ist empört. Hundertausende streiken und demonstrieren.

Rom - Die italienische Regierung hat weitere Pläne für Einsparungen vorgelegt. Sie reagiert damit auf Kritik der Europäischen Zentralbank und anderer Euro-Staaten am Management der Schuldenkrise. Die Mehrwertsteuer soll um einen Prozentpunkt auf 21 Prozent steigen und eine Schuldenbremse in die Verfassung aufgenommen werden, teilte die Regierung am Dienstag mit. Zudem sei eine dreiprozentige Sonderabgabe für Einkommen über 500.000 Euro und ab 2014 Änderungen bei der Verrentung von Frauen geplant.

Ursprünglich hatte die Regierung eine Steuer von fünf Prozent auf Einkommen zwischen 90.000 und 150.000 Euro und von zehn Prozent auf Einkommen über 150.000 Euro einführen wollen. Die Pläne wurden jedoch Ende August auf Druck von Berlusconi fallengelassen.

Die Regierung von Ministerpräsident Silvio Berlusconi verbindet die zunächst im Senat anlaufenden Beratungen über das zweite Spardekret von 45 Milliarden Euro außerdem mit der Vertrauensfrage, wurde mitgeteilt. Mit diesem Instrument hatte die Regierung bereits dutzendfach mit Erfolg Gesetze beschleunigt durchs Parlament gebracht. Im Juli waren in dem ersten Sparpaket bereits Einsparungen über 48 Milliarden Euro beschlossen worden.

Das Volk streikt

Während der internationale Druck auf Italien wächst, wehrt sich die Bevölkerung aber gegen Einschnitte. Hunderttausende Italiener gingen am Dienstag gegen die Sparpläne der Regierung auf die Straße. Der öffentliche Nahverkehr brach zusammen. Flugzeuge blieben am Boden . Auch die Lufthansa und Air Berlin strichen wegen des Ausstands Flüge in das südeuropäische Land.

"Es ist falsch, Leute wie mich heranzuziehen", sagte der 49-jährige Arbeiter Marco Vacca. "Ich lebe am Rande der Armutsgrenze, habe nur 1000 Euro im Monat." In ganz Italien schlossen sich Arbeiter dem Aufruf des größten italienischen Gewerkschaftsbunds CGIL mit sechs Millionen Mitgliedern zu dem achtstündigen Ausstand an. "Das ist ein soziales Massaker", machte Claudio Bargilli seinem Unmut über das Sparpaket der Regierung Luft. "Sie schlagen Streichungen über Streichungen vor, und wir wissen nicht, wie wir bis zum Ende des Monats über die Runden kommen."

Unter anderem sollen Gelder im öffentlichen Sektor gekürzt und Tarifverträge liberalisiert werden. Die Abschaffung von Gemeinderäten kleiner Städte, das höhere Renteneintrittsalter für Akademiker und die Verlegung einiger staatlicher Feiertage auf Sonntage wurden in der Zwischenzeit aber wieder zurückgezogen.

In anderen europäischen Ländern rief dies Kopfschütteln hervor. Offenbar habe die italienische Regierung die nötige Stabilitätskultur noch nicht verstanden, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, Peter Altmaier. "Das zeigt, dass noch nichts akzeptiert und noch nichts in den Köpfen drin ist." Allerdings sei er sehr sicher, dass auch Italien am Ende einlenken und ein Sparpaket beschließen werde, "das diesen Namen verdient". Auch Top-Banker kritisieren den fehlenden Reformeifer Italiens und fordern mehr Kraftanstrengungen. Am deutlichsten wurde Commerzbank-Chef Martin Blessing: "Italien hat ein Problem mit der politischen Führung, nicht mit der Wirtschaftsstruktur", sagte er in Frankfurt. Das Land sei zu groß, um unter den europäischen Rettungsschirm schlüpfen zu können, es müsse sich selbst helfen.

Selbst Italiens Präsident Giorgio Napolitano machte Druck. Italien ächzt unter einem Schuldenberg von 1,9 Billionen Euro. Das Land steht mit 120 Prozent seiner Wirtschaftsleistung in der Kreide, die Quote ist eine der höchsten in der Welt. Und die Wirtschaft wächst seit Jahren nur sehr schwach. Es drohen immer höhere Zinskosten.

Quelle:http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,784738,00.html